Tan Reise 2018: Teil 3: Kirgistan
- thatsmyownway
- 25. Juli 2018
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Apr. 2022
14.06.2018
Am Song Kol Lake
Die Strecke hierher war wieder ein Traum. Die Strecke gibt es zwar auf Google Maps nicht aber mein Navi hat sie vorgeschlagen und ich bin heilfroh, dass ich sie doch genommen habe. Verunsichert bin ich an einer Kreuzung im Dorf Kyzart stehen geblieben, aber ich konnte mich mit neugierigen Kindern insoweit verständigen, dass ich es riskieren konnte. Der Anfang war sehr taff und die Straße ausgewaschen. Mit der Zeit wurde sie aber immer besser und führte durch ein kleines Tal über einen 3200 Meter Pass rüber zum See. Die Lichtstimmung war wunderbar schön. Am See habe ich mir dann einen Platz zum Campen gesucht, auch wenn es erst 14:30 war. Der gestrige Tag war lang und die Offroadstrecke von heute war auch relativ anstrengend. Außerdem wollte ich unbedingt am See campen. Nachdem das Zelt aufgebaut war, fing es an zu Donnern und zu Blitzen. Der Regen ließ nicht lange auf sich warten und so sitze ich seit zwei Stunden im Zelt. Es hat ungefähr 12 Grad und ich bin eigentlich ganz froh, nicht am Motorrad sitzen zu müssen.
Obwohl ich mir naturgemäß ein schöneres Campingwetter am See gewünscht hätte.
Das Zelt hat seine erste echte Bewährungsprobe. Es steht vollkommen exponiert im Wind und Regen. Jetzt bin ich auch froh, daß ich nicht mein geliebtes Minizelt mitgenommen, sondern das für eine Person, sehr geräumige neue Zweimannzelt.
Ich glaube, das wird eine sehr kalte Nacht werden.
Um 17 Uhr hat der Regen wieder aufgehört. Ich habe die Zeit genutzt, um alles für die Nacht herzurichten und um Abendzuessen: Fertig Kartoffel Püree und Hartwurst aus Österreich) Die Sonne hat immer wieder unter den Wolken hervor geblinzelt und es war wieder wunderbar. Es wird auch gleich wärmer wenn die Sonne da ist.
Jetzt ist es 18:45: Abermals schieben sich dicke, dunkle Wolkenmassen über den Bergkamm und es fängt wieder an zu tröpfeln. Also bin ich wieder in mein Zelt zurück. Ich werde heute früher schlafen gehen als sonst.
15.06.2018
8 Uhr morgens:
Zweieinhalb Stunden Dauerregen und keine Ende in Sicht. Seit sechs Uhr morgens. Die ganze Nacht war trocken. Ich hoffe, es hört bald einmal auf. So kann ich das Zelt nicht zusammen packen. Und die unbefestigten Straßen werden auch immer schwieriger zu befahren, wenn es nicht bald mal aufhört. Den grasenden Pferden scheint der Regen nichts auszumachen. Sie mampfen sich nachwievor fröhlich und genussvoll von Süd nach Nord.
Nach den Pferden kommen die Kühe.
9:30 Der Regen hat aufgehört. Der Himmel ist nachwievor mit dunklen Wolken bedeckt. Ich warte jetzt mal zehn Minuten. Dann schau ich wie ich das ganze, ziemlich dreckige Campingzeugs verpacken kann
Kochkor Abends:
Was für ein Tag.
Erst gegen 11:00 konnte ich meine Sachen zusammenpacken.
Ich musste mich rund um den Song Kol See förmlich kämpfen. Der Regen hatte die Erde zu einem Eislaufplatz verwandelt. Vorallem die Lacken sind unglaublich tückisch gewesen. Extreme rutschig. Und mir war teilweise die nasse Wiese lieber als die ausgewaschene Erde der Straße. Mal ist das Heck weggerutscht, mal das Vorderrad. Die Straßen waren auch extrem steil, die Hügel hinauf und hinunter. Einmal war ein echt komischer Bachübergang. Er war nicht sonderlich tief, aber uneinschätzbar. Ein Mann hat gemeint ich soll irgendwie anders fahren, aber ich habe nicht ganz verstanden warum. Der Bach war weder sonderlich tief, noch was der Übergang lang. Ich habe mich dann für den Weg zwei Meter daneben entschieden. Weniger tief, weniger lang und ein fataler Fehler.

Ich bin ungefähr einen Meter weit gekommen, dann bin ich mit beiden Rädern bis zur Achse im Morast gesteckt. Mein Zaungast hat geflucht und mit Hilfe eines weiteren jungen Mannes konnten wir Fifi aus dem Gefängnis befreien. Der Zaungast hat noch mehr geflucht, da seine Schuhe dreckig und seine Füße nass wurden. Er hat dann auch weiter auf russisch auf mich eingeredet, aber ich habe leidenden Wort verstanden. Ich habe dann einen anderen großen Umweg genommen und es hat geklappt.
Ein wenig später bin ich an drei Jurten vorbei gekommen. Ein Junger Mann ist mir nachgelaufen und wollte dass ich bei Ihnen übernachte. Naja, auf eine Tee habe ich mich überreden lassen. Ich bekam Tee, das beste Brot mit selbstgemachter Butter, das ich je gegessen habe und eine klare Suppe. Im Suppentopf war ein ganzes Schaf. Wirklich ein ganze Schaf. Lunge, Herz, Kopf, Gedärme, alles war drinnen. Die klare Suppe war unheimlich gut. Sie meinten, wenn ich hier übernachten würde, dann würde ich das Herz bekommen... und den Kopf.

Eigentlich war es sehr verlockend hier zu bleiben. Die Familie war sehr nett. Es war klar, dass diese Jurten für Touristen waren, sie machten daraus auch kein Geheimnis ,aber es war trotzdem sehr gemütlich und vieles "authentisch".
Ich entschied mich weiterzufahren. Es waren endlich 3 Stunden ohne Regen, die "Straße" wurde langsam besser und mir war das Wetter hier zu unbeständig. Ich wollte nicht noch mehr Regen riskieren und somit eine für mich unpassierbare Straße.
In der Jurt war es unglaublich warm. Der kleine Ofen, auf dem die Suppe köchelte und in einer Lade in der das köstliche Brot gebacken wurde, heizte die Jurt ganz gehörig auf.
Der Rest der Fahrt war spektakulär. Einige Bachdurchquerungen waren erforderlich und ein Pass mit 3500 Meter mußte noch gemeistert werden. Aber da die Strecke zunehmend trockener wurde ging es ganz gut. Und die gewählte Passstraße war die beste die zum See führt. Angeblich würde sie für Boris Jelzin angelegt, der unbedingt am See Vodka trinken wollte.
Ein schöner und anstrengender mag geht zu Ende. Jetzt bin ich in Kochkor.
16.06.2018: Tscholponata am Issyk Kul See
Wo bin ich denn da hineingeraten?
Ein Touristenort, der vollkommen heruntergekommen ist. Ich weiß nicht, ob noch Nebensaison ist, ob die Russen sich es jetzt leisten können in die Türkei zu fahren und nicht mehr her kommen. Und die Fussball WM in Russland ist auch gerade.
Aber alles ist komplett heruntergekommen und verfallen. Selbst wenn die Massen erst im Juli kommen, das kriegen sie nie bis dahin wieder in Ordnung. Die meisten Restaurants und Geschäfte sind zu. Und wenn nicht soviele Inder da wären, wäre der Strand total leer.
Es ist auch sehr kühl. Selbst am nachmittag hatte es gerade mal 20 Grad. Es ist viel zu kühl um zu baden. Mein Reiseführer ist von 2016. Und der meint ab Juni ist Hochsaison und alles ist voll. Tatsache ist, es ist alles leer und es ist zu kalt. Wie gut, dass ich gleich 2 Tage hier gebucht habe... Grrrr.
Diese leeren Geschäfte gibt es aber auch überall in Kirgistan. In dem Städtchen, in dem ich heute übernachtet habe war es genauso. Die Hälfte der Geschäfte stehen leer und sind halb verfallen.
Ich habe mir ja gedacht, was solls. Dann Trinke ich halt einen Kaffee am Strand in einem netten Café. Aber so etwas gibt es, zumindest derzeit nicht.
Heute morgen in Kochkor auf dem Tierbazaar gewesen. Es ist so anders wie in den asiatischen Ländern in denen ich sonst unterwegs bin. In Indien, in Thailand, Kambodscha, Laos, Nepal...... Da wäre aus dem Tierbazaar ein Jahrmarkt gemacht worden. Mit zahlreichen Essensständen, Jahrmarktbuden und mehr. Man hätte es zelebriert und ein Fest daraus gemacht. Hier gibt es das alles nicht. Es gibt die Tiere, jede Menge Gatsch, that's it.

Auch Plätze zum Essen sind in kleineren Orten in diesem Land nur schwer zu finden. Am ehesten Glück hat man an wichtigen Straßenkreuzungen.
Heute am Strand: Ein Handwerker hat auf einem Minipier ein Kiosk renoviert. Da ihm ein paar Schrauben fehlten, hat er einfach ein paar Schrauben aus der neuen Holzleiter vom Hochstand rausgeschraubt. Die Anwesenden haben es lustig gefunden.
Was mich wieder an Wolfgang von meinem Shuttleservicee erinnert: Der hat gemeint, dass die Nachbarn oft Sachen von ihm, in seiner Abwesenheit, "ausborgen". So wie das eine Quard. Da sie keinen Schlüssel hatten, haben sie das Schloss aufgebrochen und das Fahrzeug kurzgeschlossen. Wie wir die Vorderreifen wechseln wollten, haben auch alle Muttern gefehlt. Hat sicher auch wohl wer brauchen können. Wolfgang meint, wenn sich ein Kirigise etwas ausborgt, dann bekommt man es gar nicht oder kaputt zurück. Irgendwie kann ich mir das mittlerweile ganz gut vorstellen. Es hat aber nix mit stehlen zu tun. Eher mit einer anderen Wertigkeit von " Besitz" Es ist auch so, dass ich mich eigentlich hier sehr sicher fühle.
Geht man in ein Geschäft, wird das wortlos getan. Man knallt die Sachen die man haben möchte, vor die Kassa und drängt sich wenn möglich auch vor. Grüßen und verabschieden gibt es nicht wirklich. Wenn die Verkäufer beschäftigt sind, dann sind sie beschäftigt. Sie schauen nicht mal auf, wenn wer das Geschäft betritt. Ein Lächeln bewirkt kaum eine Reaktion. Und das hat auch nichts damit zu tun, dass man Tourist ist
Ich tue mir ein wenig schwer mit der Mentalität der Menschen hier.
Es gibt schon auch jene, die an einen interessiert sind und einem einen Daumen hoch geben, oder Grüßen, aber Herzlichkeit und Offenheit gegenüber Fremde sind bis jetzt eher die Ausnahme.
Der Umgang innerhalb der Verwandtschaft ist aber ausgesprochen herzlich.
17.06.2018
Wenn die Sonne scheint, schaut es wieder mal ganz anders aus. Der Issyk Kul See, die 5000er dahinter. Die mutigen Russen und Kirgisen, die sich in das kalte Nass werfen. Die Ruhe.....
Es haben auch mehr Geschäfte offen, als gestern.
Heute hatte ich "Urlaub" . Fifi auch. Ich konnte meine Wäsche waschen lassen und Fifi von dem ganzen Matsch befreien. Vorallem Kühler, Federbein und Kette war mir wichtig.
Bin heute zu den Petroglyphen Museum marschiert. Hin und zurück über 10 Kilometer. 5000 Jahre alte Steingravierungen und mehr sieht man hier. Leider ist nichts wirklich beschriftet, dafür kostet es nichts. Es ist ein riesen Open-air Areal, aber selber die Sachen finden ist echt schwer.

Oh was für ein Schreck nach dem Abendessen. Als ich gehen wollte und in meine Tasche geschaut habe, war sie leer. Und ich war mir nicht mehr sicher: Habe ich vorher meine Kamera eingepackt oder nicht. Also bin ich nachhause gelaufen. Beim Laufen bin ich verschiedene Szenarien vor meinen inneren Auge durchgegangen. Was mach ich jetzt, wenn sie tatsächlich weg ist? Habe ich sie mitgenommen, oder nicht? Wie kann ich die Polizei verständigen und was nützt mir das? Zuhause angekommen habe ich leicht panisch das Zimmer durchwühlt. Und dann die Erleichterung. Sie war in der Gurteltasche.
Uff, darauf brauche eine Beruhigungspfeife und ein Bier. Alles ist gut.
Tscholponata:

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